„Ich bestehe aus Literatur“ – Rüdiger Safranskis Kafka-Lesung
Am 01. Juni kehrte Rüdiger Safranski erneut nach Marburg zurück – dieses Mal, um sein Buch Kafka – Um sein Leben schreiben vorzustellen. In dieser Biografie beschreibt Safranski besonders das Schreiben Kafkas und wie sehr er dafür gelebt hat. Eingeladen hatte die Neue Literarische Gesellschaft e.V. unter der Leitung von Ludwig Legge. Der Veranstaltungsort war ein besonderer: der Kinosaal des Cineplex. Zwischen roten Sitzen, gedämpftem Licht und glitzerndem Vorhang entstand dennoch eine Atmosphäre, die sich vom ersten Moment an mehr nach literarischer Bühne als nach Kino anfühlte.
Vor Beginn lag eine besondere Spannung in der Luft und der Saal füllte sich schnell. In seiner Begrüßung erinnerte Legge daran, dass Safranski bereits mehrfach in Marburg gelesen habe und der Stadt wie auch der Neuen Literarischen Gesellschaft seit vielen Jahren verbunden sei. Dennoch sei es jedes Mal aufs Neue eine Ehre, ihn willkommen zu heißen. Legge erinnerte an die späte Popularisierung Kafkas in den 1970er-Jahren, an das oft zitierte „Kafkaeske“, und bereitete das Publikum auf einen besonderen Abend vor. Mit warmem Applaus wurde Rüdiger Safranski begrüßt. Bevor er in die Lesung einstieg, sprach er über seine Beziehung zu Kafka – und zu Marburg. Er sei immer wieder gern in dieser Stadt, sagte er, und Kafka sei für ihn einer der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts: ein Schriftsteller, der nicht nur gelebt, sondern vor allem geschrieben habe.
"Ich habe kein literarisches Interesse, sondern bestehe aus Literatur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein." Kafka – Um sein Leben schreiben
Der Schreibstil in Safranskis Kafka-Buch ist leidenschaftlich, poetisch und zugleich analytisch durchdrungen. Er zeigt Kafka als ironischen, zärtlich-skeptischen Menschen – einen, der an der Welt litt und sich dennoch nie ganz von ihr abwandte. Die Lesung wirkte wie eine Traumreise in Kafkas Innenwelt – getragen von der Überzeugung, dass Schreiben mehr ist als nur Ausdruck: Es ist Dasein.
Nach der Lesung nahm sich Safranski Zeit für einige Fragen aus dem Publikum – auch zu seinem neuen Projekt. Am Büchertisch der Buchhandlung am Markt konnten Besucher*innen Exemplare des Buchs erwerben und signieren lassen. Dabei kündigte die Neue Literarische Gesellschaft Marburg auch die nächste Lesung an: Am 10. September ist Martin Mosebach zu Gast.
Für mich war dieser Abend weit mehr als eine Buchvorstellung. Er war eine Erinnerung daran, wie tief Literatur gehen kann. Wie Worte berühren, wenn sie im richtigen Moment gesprochen werden. Und wie sehr das Schreiben – gerade bei Kafka – keine literarische Technik ist, sondern eine existenzielle Notwendigkeit. Vielleicht ist mir sogar eine Träne gekommen, als mir klar wurde: Manchmal hat man nicht das Gefühl, einem Autor zuzuhören – sondern der Literatur selbst.
Und für alle, die Kafka lieber auf dem Bildschirm erleben möchten: Die Serie Kafka in der ARD-Mediathek ist mein persönlicher Geheimtipp – eindrucksvoll, mutig, kafkaesk.
Veröffentlicht: PHILIPP MAGAZIN
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